Architektur ist die Mutter aller Künste?

Der Architekt, ein Prediger mit dem und am Reißbrett,
ein Gesellschaftsingenieur?

Das ist der Architekt sicher nicht oder doch etwa?  Nach Kurt Tucholsky kann man
Menschen mit einer Wohnung erschlagen. Schuld der Architekten? Oder sind die
Forderungen zu hoch? 

 

Das Ideal

Ja, das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn -
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.

Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:

Neun Zimmer - nein, doch lieber zehn!
Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,
Radio, Zentralheizung, Vakuum,
eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,
eine süße Frau voller Rasse und Verve -
(und eine fürs Wochenend, zur Reserve) -
eine Bibliothek und drumherum
Einsamkeit und Hummelgesumm.

Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste,
acht Autos, Motorrad - alles lenkste
natürlich selber - das wär ja gelacht!
Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.

Ja, und das hab ich ganz vergessen:
Prima Küche - erstes Essen -
alte Weine aus schönem Pokal -
und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.
Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.
Und noch ne Million und noch ne Million.
Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.
Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.

Ja, das möchste!

Aber, wie das so ist hienieden:
manchmal scheints so, als sei es beschieden
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
hast du die Frau, dann fehln dir Moneten -
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.

Etwas ist immer.
Tröste dich.

Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Daß einer alles hat:
das ist selten.

(Kurt Tucholsky 1927)

 

 

Zur Zukunft der Städte

Wir treten ein in das Jahrtausend der Städte. Die Städte, seit jeher Motoren des wirtschaftlichen Wachstums und Keimzellen der Zivilisation, stehen heute vor riesigen Herausforderungen. Millionen von Männern, Frauen und Kindern müssen einen täglichen
Kampf ums Überleben führen.

Können wir das umkehren? Können wir unseren Bürgern Hoffnung auf eine bessere
Zukunft machen? Wir glauben: Wenn wir die positiven Kräfte der Bildung und der
nachhaltigen Entwicklung der Globalisierung und Informationstechnologie, der
Demokratie und des verantwortungsbewussten Stadtmanagements, der stärkeren
Rolle der Frauen sowie der Zivilgesellschaft nutzen, dann können wir auch wirklich
Städte der Schönheit, der Ökologie, der Wirtschaftlichkeit und der sozialen
Gerechtigkeit schaffen.

DAS HOHELIED DER STADT, Canticum Canticorum, können wir dann mit den Worten
und hoffentlich auch mit der Weisheit Salomos fröhlich und sorgenfrei singen:

"Unsere Städte mögen noch viele schöne Knospen bekommen, wachsen und erblühen,
und genau wie die Natur schöner werden als Salomonis Seide."

Der Architekt ist ein Kind seiner Zeit. Er plant und baut für den Menschen seiner Zeit
aber auch für die Zukunft und die nachfolgenden Generationen.
Dieser Verantwortung muß er sich in seinem Planen, Handeln und Bauen immer
bewusst sein.
Und versuchen und sich bemühen die Schönheit der Schöpfung in seinem Werk fortzusetzen.

„Die menschliche Vernunft ist ihrer Natur nach architektonisch, d.i. sie betrachtet alle
Erkenntnisse als gehörig zu einem System...“

(Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, 1781)


Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.

(Albert Einstein, 1919)



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